Schmilka – Im Osten viel Neues

Ein Grenzdorf, ein rastloser Visionär und der Fluss der Geschichte.

Wenn man in Sachsen die Elbe entlang nach Osten fährt, kommt man irgendwann in die Sächsische Schweiz, ein von steilen und bizarren Sandsteingebilden geprägter Naturpark. Seit jeher sind die Affen- und Schrammsteine, der Winterberg oder der Pfaffenstein attraktive Ziele für Abenteurer und Reisende, die das Außergewöhnliche suchen. Sven Erik Hitzer war beziehungsweise ist so ein Abenteurer. Er kam, weil er die Freiheit suchte, fand sie auch und die Liebe seines Lebens gleich dazu. Er blieb und hat das Dorf von Grund auf neugestaltet. Er hat aus Schmilka, dem kleinen unscheinbaren Dorf an der deutsch-tschechischen Grenze, eine sympathische Bio-Erlebniswelt gemacht.

Bieraufguss

Bei Dämmerung, am späten Nachmittag, so gegen fünf, beginnt in Schmilka die „blaue Stunde“. Im Winter ist das ein Erlebnis der ganz besonderen Art. Aus den Bechern dampft wahlweise Glühwein oder Bio-Caipirinha, aus den Badezubern, die gleich neben der Bar stehen, dampft heißes Wasser, und wenn der Bademeister in sein großes Horn bläst, signalisiert er damit: Bieraufguss! Aus großen Eimern wird den Badenden kühles Bier über den Rücken geleert. Danach versinken sie wieder im wohlig-warmen Bad. Hin und wieder greifen sie zu den Bierkrügen, die am Zuberrand aufgestellt sind und die erhitzten Körper von innen her kühlen.

Bier-Badekultur in der Sächsischen Schweiz

An der alten Grenze

Der kleine Platz vor dem Gasthof zur Mühle ist ein kleiner Kosmos, in dem Zeit nicht wirklich eine Rolle spielt. Ein altes Mühlrad, eine Brauerei, eine Backstube und ein Gasthof, dessen Stuben an Gemütlichkeit kaum zu überbieten sind. Früher war Schmilka ein Grenzdorf. Die DDR auf der einen, die ČSSR auf der anderen Seite. Zwei Länder mit paranoiden Regimes, und genau so sahen auch ihre Grenzposten aus. Kahle Streifen davor und dahinter, Aus- und Aufsichtstürme auf beiden Seiten der Elbe und abweisende Bauten direkt am Grenzübertritt. Schmilka, das Dorf, das auf deutscher Seite kurz vor der Grenze liegt, war damals ein trister Ort. Aber Hitzer sah dieses Grau nicht. Vielleicht sah er es, erkannte aber das Potenzial dahinter. Jedenfalls zündeten ein paar Synapsen in Hitzers Hirn, blitzten auf und entfachten ein kleines Feuerwerk zwischen Groß- und Kleinhirn und das innere Bild sah plötzlich ganz anders aus, als jenes, das das Auge zu sehen glaubte. Der Wanderer hatte (und hat sie immer noch) eine kristallklare Vision. Eine Vorstellung davon, wie Schmilka aussehen könnte. Daraufhin hat er die Ärmel hochgekrempelt und einfach zu arbeiten begonnen. Wirklich verstanden hat das damals niemand. Vielmehr hat man ihn für einen Spinner gehalten. „Wer Visionen hat, muss zum Arzt“, hatte Helmut Schmidt in den 80ern einmal gesagt, als er über die Visionen Willy Brandts sprach. So ging es Sven Erik Hitzer mit dem Bild, das er von Schmilkas Zukunft hatte. Wirklich ernstgenommen wurde er anfangs nicht. Dabei war diese Vision (und das ist sie immer noch) Sven Eriks Leitbild und Motor, und es ist ein starker Motor. Wenn er durch den Ort geht, rennt er fast. Seine Augen sind hellwach und wachsam. Kein Detail, das nicht seine Aufmerksamkeit hat. Es könnte ja wichtig sein. Warum er mit so einem Affentempo unterwegs ist? „Ich muss ja vorankommen.“ Aber eigentlich versteht er die Frage gar nicht.

Heute zeigt das malerische Dorf, dass es Dinge gibt, die die Geschichte überdauern. Schmilka ist eine Perle inmitten der bizarren Elbsandsteinfelsen in der Sächsischen Schweiz und ein Paradies für Wanderer, Kletterer oder Gäste, die im Bio-Restaurant Strandgut oder im Café Richter am Ufer der Elbe köstliche Gerichte aus der Region genießen möchten.

Backen & Brauen

Der Kern Schmilkas ist das alte Mühlrad. Es war auch dieses Mühlrad, damals allerdings noch in desas­trösem Zustand, das es Sven Erik Hitzer angetan hat, und mit dem alles irgendwie seinen Anfang nahm. Es wurde liebevoll renoviert und wieder in Gang gesetzt. Heute dreht sich das Mühlrad wieder, und weil Mühlräder auch einen tieferen Sinn haben, wurde nicht nur dem Mühlrad, sondern auch gleich der ganzen Mühle Leben eingehaucht. Gleich nebenan wurde eine Bäckerei gebaut, die Schmilka und seine Gäste mit frischem (und über die Maßen köstlichem) Bio-Brot versorgt.

Etwas unterhalb der Mühle steht mittlerweile die Braumanufaktur Schmilka, die erste bio-zertifizierte Brauerei in Sachsen. In ihren Kesseln brodeln zwei Standardbiere. Zum einen ein frisches „helles“ untergäriges Vollbier mit deutlich malzigen Noten und lebendiger Zitrusfrische. Zum anderen ein bernsteinfarbenes Vollbier, ebenfalls untergärig, allerdings mit klar süßlichen Anklängen von Karamell, dunkler Schokolade und Waldhonig. Beide Biere werden in 0,75-Liter-Flaschen abgefüllt – und trotzdem ist immer zu wenig davon da. Saisonal gibt es dann noch (im Mai und im Oktober) den Bock und (im April) ein Pils.

Das Schmilkaer Brauhaus

In Summe bietet Schmilka über 60 Zimmer in unterschiedlichen Häusern und in den verschiedensten Kategorien. Klassische Hotelzimmer, mondäne Suiten, Ferienwohnungen und künftig wird es auch Zimmer für Jugendliche und Studenten in der Kategorie „schmaler Taler“ geben. Und obwohl Schmilka für alle etwas zu bieten hat, ein Gedanke aus früheren Zeiten blieb erhalten: Am Berg und im Bier-Bade­zuber sind alle gleich. 

Der Artikel „Schmilka – Im Osten viel Neues“ erschien in der Ausgabe 10 des 1515 Craft Bier Magazin.