Mit Hybriden aus Bier und Schaumwein überzeugen ProduzentInnen sowohl Bier- als auch SchaumweintrinkerInnen. Nicht nur an Festtagen.
Stephan Börger hat mit viel technischem Know-how, Erfahrung und durchaus auch Gespür dafür, wie man die eigene Nische finden kann, ein relativ einzigartiges Produkt entwickelt, nämlich Boergée, eine intensive Mischung aus Bier und Schaumwein. Gerade klassisch genug, um eigentlich richtig breit anzukommen. In seinem Studium in Graz und Wien widmete sich Stefan Börger der Molekularbiologie,
an der Uni Wien war er dann noch im Eventmanagement tätig. Aus seinem Hobby, dem Bierbrauen, machte er parallel dazu einen Beruf. Zuerst als Assistent im nicht mehr existierenden Lichtenthaler Bräu im neunten Wiener Bezirk, mittlerweile arbeitet er bei der Beaver Brewing Company.
Privat durchaus auch weinaffin und oft unterwegs bei WinzerInnen auf der steirischen Weinstraße sowie später auch in Wien und im Burgenland, hat er an seiner Idee getüftelt: einer Mischung aus Bier und Schaumwein, für die er dem Grundbier 35 % Traubensaft hinzufügt und dieses dann in der Flasche nach der Mèthode Traditionelle weiter vergärt. Mit Champagnerhefe. Und so steht am Ende ein ungewöhnliches Getränk mit 11 Vol.-% Alkohol, das seine Herkunft vom Bier nicht verleugnet, aber auch ganz klar mit ordentlich Traube am Gaumen punktet und mit der Flaschengärung eine ungewöhnliche Balance schafft zwischen klassischem, sehr sauberem Schaumwein und modernen Interpretationen,
bei denen noch mehr Saft und Kraft da ist. Anders als von Bier gewohnt ist Boergée etwas leichter im Genuss und man hat eben nicht den Eindruck einer kleinen Mahlzeit im Glas. Das bedeutet umgekehrt nicht, dass es nicht eben doch ziemlich intensiv ist in der Nase und am Gaumen viel triggert.
Ungewöhnlich und breit verständlich
»Ganz klassisch bietet sich Boergée natürlich als Aperitif an. Und hier als eben ungewöhnlicher
Stefan Börger
Geschmack, ungewohnt genug, um zu überraschen, aber dabei keineswegs überfordernd«.
Auch wenn es Stephan Börger sicher jedem selbst überlässt, wo und wann sein Boergée getrunken wird: »Ganz klassisch bietet sich Boergée natürlich als Aperitif an. Und hier als eben ungewöhnlicher
Geschmack, ungewohnt genug, um zu überraschen, aber dabei keineswegs überfordernd«, weiß er aus Erfahrung. Gelungen ist ihm dies aufgrund seines breiten Interesses, der großen Erfahrung und letztlich wohl auch dem technischen Know-how, das er aus seinem Studium mitbringt.
Aktuell produziert er bei einer Brauerei das Grundbier und gibt dann in einer großen Sektkellerei die zweite Flaschengärung in Auftrag. Er produziert Charge für Charge, jeweils ein paar tausend Flaschen. Wenn diese verkauft und ausgetrunken sind, wird die nächste produziert. Erhältlich ist Boergée in einer Reihe von Biergeschäften und Vinotheken, die auf seiner Website gelistet sind – und zunehmend in der Gastronomie. Aufgrund der Produktionsmethode hat sein Produkt kein Mindesthaltbarkeitsdatum und eignet sich einerseits, um frisch getrunken zu werden, hat aber andererseits auch Reifepotenzial. Die Nachfrage sollte nun, gerade vor Weihnachten und Silvester, noch einmal steigen, denn Boergée ist ungewöhnlich genug, um zu überraschen und doch breit verständlich. Das geht sich in vielen Familien und geselligen Runden gleichermaßen aus. Und wenn die aktuelle Charge ausgetrunken ist, gibt es schneller die nächste. Und bei entsprechendem Wachstum vielleicht eines Tages Jahrgänge,
verschiedene Grundbiere oder bei den Trauben reinsortige Varianten.
»Ein Bier reifen zu lassen, bedeutet ja vor allem, ihm genau die Zeit zu geben, die es braucht, um Geschmack und Aroma optimal entfalten zu können«
Markus Trinker
Ganz allein ist Stefan mit dieser Idee aber natürlich nicht. In Nordeuropa, speziell in Belgien, gibt es einige ProduzentInnen, die mit ähnlichen Ideen durchaus erfolgreich spielen. Etwa die Brauerei Bosteels mit dem Deus Brut des Flandres, das es seit gut zwei Jahrzehnten gibt und für die zweite Gärung – ebenfalls mit Champagnerhefe in der Flasche – in Tanks nach Frankreich gebracht wird. Vor rund zwei Jahren hat auch das Ottakringer Brauwerk damit experimentiert und dem Cuvée Perlée in Kooperation mit Schlumberger für die zweite Gärung – nicht in der großen Flasche – nochmals Sekthefe hinzugefügt. Auch die deutsche Brauerei Flügge hat einige spannende Bier-Wein-Hybride im Programm, allerdings keine mit Schaumwein.
Aktuell gibt es außerdem noch Perlage vom Stiegl-Gut Wildshut – oder eben gerade nicht, weil ausgetrunken. Die biologisch arbeitende Kreativschiene von Stiegl unter der Leitung von Braumeister Markus Trinker mengt dem Grundstoff Starkbier eine in der französischen Champagne selektierte Hefe bei, die in der zweiten Flaschengärung das Mousseux, also die »Perlen«, entstehen lässt. »Ein Bier reifen zu lassen, bedeutet ja vor allem, ihm genau die Zeit zu geben, die es braucht, um Geschmack und Aroma optimal entfalten zu können«, erklärt Trinker in einer Aussendung. Der Braumeister, der sich erst heuer für seinen Sonnenkönig VIII den World-Beer-Cup-Sieg für holzfassgereifte Biere abholen konnte, sieht in Perlage den Auftakt für eine neue Reihe von gereiften Bieren aus Wildshut. Er empfiehlt den Genuss von Perlage stilecht im Schaumweinglas – als Aperitif oder bei feierlichen Anlässen. Im Gegensatz zu Boergée erweist sich Perlage in der Verkostung als näher am Bier. Auch optisch, da ein fester, klar weißer Schaum stehenbleibt. Und auch dieser Hybrid eignet sich gut als Aperitif, aber auch als Speisenbegleiter – etwa für nicht allzu würzigen Weichkäse wie Brie. Es gab nie viele Gründe dafür, sich im Leben zwischen Bier und Wein entscheiden zu wollen, dank dieser BrauerInnen und ihrer Innovationen gibt es nun aber noch weniger.