Food-Pairings mit Bier erreichen langsam, aber sicher auch hierzulande die gehobene Gastronomie. Was kann Bier abseits von Schnitzel und Burger?
Rote Rübe, geräucherte Crème fraîche, Ziegenkäse, Zesten von der Orange und knusprige Brotchips – dazu ein Pale Ale namens Hop Making Sense. Anschließend Enten-Kohlrabi-Ravioli auf cremigen schwarzen Linsen begleitet von einem Leffe Brune. Wer den Bierempfehlungen zum Fünf-Gänge-Menü im Dining Room des Wiener Pubs Charlie P’s folgt, den erwartet nicht nur ein kulinarischer Genuss aus der Küche des Peter Zinter, sondern auch eine bestens darauf abgestimmte Getränkebegleitung. Das Spiel mit den Aromen, das Kontrastieren und gegenseitige Ergänzen, all das funktioniert auch nach Vorspeise und Zwischengang wunderbar. Bis hin zur Chocolate & Ale Cake mit gebranntem Milcheis, die für Experimentierfreudige mit dem typisch säuerlichen Geschmack einer Gose kombiniert wird. Fast absurd die Idee, man könnte etwas anderes als Bier zu diesem wunderbaren Essen trinken.
Das Thema Bierbegleitung in der gehobenen Gastronomie stehe dennoch erst am Anfang, so Biersommelier-Staatsmeister Clemens Kainradl: „Es gibt aktuell ein paar wenige Pioniere, die das wirklich strukturiert machen. Aber immerhin werden es immer mehr, die Bierempfehlungen zu ihrem Essen abgeben. Davon, wie weit das Thema in anderen Ländern entwickelt ist, sind wir jedenfalls noch ein gutes Stück entfernt.“
Exakt abgestimmt
Für das Restaurant Okra in der Leopoldstadt in Wien bereitet Kainradl – er importiert mit seinem Unternehmen Bierfracht Biere aus aller Welt – gerade die Bierbegleitung für ein Food-Pairing-Event vor. Moderne, anspruchsvolle japanische Küche, dazu IPAs, Porter und Brown Ale von der japanischen Brauerei Baird. „Ein einzelner Bestandteil im Bier oder ein einzelnes Gewürz in der Speise können eine Kombination einfach kippen lassen“, erklärt Kainradl. Beim Fototermin im Okra probiert er jedes Gericht und jedes angedachte Bier, disponiert kurzerhand um und freut sich darüber, wie gut Bier und Sushi einander ergänzen. Es ist eine gewissenhafte Detailarbeit: Die große Aromenvielfalt, unterschiedliche Texturen und Stärken – all das will exakt abgestimmt sein.
Die aktuelle Craft-Bier-Welle zeige dem Konsumenten erstmals, welch sensorische Vielfalt in charaktervollen Bieren stecke, sie rege zum bewussten Genießen und Entdecken an, so Josef Sigl, Chef der Trumer Privatbrauerei und des Restaurants Trumerei. Mehr als 70 verschiedene Biere stehen dort auf der Karte – zu jedem davon gibt es Speisenempfehlungen und umgekehrt auch zu jeder Speise eine Bierempfehlung. Monatlich werden außerdem Food-Pairing-Events angeboten.
Eine völlig neue Welt
„Craft Biere sorgen für mehr Abwechslung im Glas und lassen in Bezug auf eine optimale Speisenbegleitung viel Spielraum“, meint René Antrag, Sommelier im Steirereck, dem wahrscheinlich besten Restaurant Österreichs. Für viele Menschen seien diese Biere eine „völlig neue Welt“, mit der man sie erst vertraut machen müsse. Antrag: „Das ist Aufgabe der gehobenen Gastronomie. Wir haben hierfür die Menschen im Service, die dem Gast das Produkt näherbringen, erklären und schlüssig darbieten können. Craft Bier ist ein Produkt, über das gesprochen werden muss, damit es verstanden wird.“
Birgit Rieber sieht es ähnlich: „Man muss sich darüber im Klaren sein, dass Biervielfalt in der Gastronomie nicht funktioniert, wenn Wissen und Ausbildung dafür nicht da sind.“ Am Institut für Bierkultur bietet sie Kurse für Beerkeeper und Biersommeliers an, sie berät die Gastronomie bei der Erstellung von Bierkarten und Brauereien bei Produktentwicklung und Kostnotizen. Dass man in anderen Ländern in Sachen Bierbegleitung und Angebotsbreite schon viel weiter sei, dafür gebe es unterschiedliche Gründe: „Italien ist traditionell ein Genussland, dort hat Essen und Trinken einfach einen sehr hohen Stellenwert.“ In Belgien wiederum gebe es seit jeher eine ganz besondere Biervielfalt, so Rieber – mit Strong Ales, Wit, Krieks, Frucht-Lambics etc.
In den USA, dem Ursprungsland der Craft-Bier-Revolution, sieht die Sache natürlich gleich noch einmal anders aus. Mit dem von Daniel Burns und Jeppe Jarnit-Bjergsø geführten Lokal Luksus hat dort zum ersten Mal ein Restaurant, einen Michelin-Stern verliehen bekommen, das ausschließlich Bier anbietet. Keinen Wein, keine Cocktails. „Food & Beer“, ein Buch zu dieser Erfolgsgeschichte erscheint demnächst – mit Rezepten aus dem Luksus und seinem Schwesterlokal Tørst sowie ausführlichem Know-how zum Thema Bier und Essen. Die Komplexität und Exklusivität von Wein sei unbestritten, schreibt Co-Autor Joshua David Stein im Vorwort, bei Bier jedoch werde Leistbarkeit und Erhältlichkeit gemeinhin mit minderer Qualität gleichgesetzt. Ein Problem der Wahrnehmung, so Stein.
Dass im Restaurant ein schlankes Pils als Aperitif angeboten wird, sei man zwar auch in Österreich gewohnt. Wer danach zum Essen ein Bier bestellt, gerate aber leicht in Verruf, eher Geld sparen als sich etwas gönnen zu wollen, bringt es Clemens Kainradl auf den Punkt.
Ohne Einschränkungen das Beste
Dass Bier in der gehobenen Gastronomie zukünftig eine größere Rolle spielen soll und – da sind sich alle, die in diesem Text zu Wort kommen, einig – auch wird, ist nicht unbedingt eine Kampfansage an Wein. Julia Grashäftl, mitverantwortlich für das Getränkeprogramm im Gourmetrestaurant Das Bootshaus (im Seehotel Das Traunsee), setzt neben einer Begleitung durch alkoholfreie Getränke und Wein seit drei Jahren auch auf Bier. In Zukunft werde es aber auch eine „Getränkebegleitung“ zum Menü geben: „Zu dem jeweiligen Gericht wird das passende Getränk eingeschenkt: Bier, Saft, Cocktail, Sake oder Wein. Ich will ohne Einschränkungen das Passende finden.“ Auch Hubert Peter, der das Wiener Restaurant Die Liebe in der Marktwirtschaft in Sachen Getränke berät, schlägt in eine ähnliche Kerbe: „Ich bin großer Fan vom ‚gemischten‘ Pairing. Also alle guten Sachen dieser Erde in einem Menü – Bier, Wein, Likör, Kaffee, Tee, Whisky, Vodka, Gin, Vermouth und so weiter.“
Eine solche Gleichrangigkeit schwebt auch Birgit Rieber vor: „Mein Wunschtraum ist, dass sich Bier nicht mehr darum matchen muss, ähnlich oder besser zu sein. Wenn wir soweit kommen zu sagen: ‚Zu dieser Speise passt Wein besser und zu dieser Bier‘, dann haben wir gewonnen.“
Gut kombiniert – Fünf Food-Pairing-Vorschläge für Craft-Bier-Fans und andere Genießer zusammengestellt von Biersommelier-Staatsmeister Clemens Kainradl.
Oatmeal Stout zu Flusskrebs-Avocadosalat
Die angenehme Röstaromatik ohne viel Bittere versteht sich wunderbar mit der milden Süße des Krebsfleisches und löst zugleich die ölige Konsistenz der Avocado. Im Ausklang heben sich die Aromen gegenseitig auf eine höhere Stufe des Genusses. Bierbeispiel: Brew Age Chicxulub
Hopfengestopftes Weißbier zu Saibling mit Salzerdäpfeln
Die Kräuternoten und die säuerliche Frische des Bieres ergänzen schön den edlen Geschmack des Saiblings, gemeinsam wirkt beides fokussiert, kräuterig und zitrusfruchtig. Bierbeispiel: Hanscraft & Co Bayerisch Nizza
Englischer Barley Wine zu Spaghetti Carbonara
Die Malzaromatik und die leichte Süße des Barley Wine vereinigen sich mit Käse und Eiern, der Speck gibt schöne salzige Akzente. Beispielbier: Robinson’s Old Tom
IPA zu Milchschokolade
Die Süße der Milchschokolade wird von der IPA-Bittere entschärft, die Fruchtnoten des Bieres wirken noch stärker und ergänzen wiederum perfekt den samtigen Kakaoeindruck der Schokolade. Beispielbier: Toccalmatto Zona Cesarini
Imperial Stout zu Roquefort
Der salzig-süß-scharfe Käse fügt sich zusammen mit den röstaromatischen, schokoladigen und durchaus auch alkoholischen Noten des Bieres zu einem abgemilderten und vielschichtigen Geschmackserlebnis. Beispielbier: Nogne O Imperial Stout
Der Artikel „Food-Pairing: Abwechslung im Glas“ erschien in der Ausgabe 3 des 1515 Craft Bier Magazin.