Die Bürokratie hat ihn nach Österreich geführt, sein hoher Anspruch an Qualität in die Bestenlisten internationaler Bierwettbewerbe. In Kürze feiert der Slowene Vasja Golar das fünfjährige Bestehen seiner Vorzeige-Craft-Brauerei Bevog im steirischen Bad Radkersburg.
Vasja Golar sitzt im Gastgarten seiner Brauerei und deutet auf einen Wald wenige hundert Meter entfernt: Wären nicht so viele Bäume im Weg, könnte man dort auf einem Hügel ein Schloss sehen, erklärt er auf Englisch. Ganz in der Nähe davon hatte er das Brauhaus Bevog ursprünglich bauen wollen – „maximal eineinhalb Kilometer Luftlinie von hier“. Doch sein Plan ging nicht auf: Die Gemeindeverwaltung von Gornja Radgona (deutsch: Oberradkersburg) verwies auf ein Dokument, das er vom slowenischen Umweltministerium benötige, und verweigerte die Baugenehmigung. In besagtem Ministerium hieß es wiederum, es würde mindestens zwei Jahre dauern, bis dieses Dokument – es ging dabei um das Wasser für den Brauprozess – ausgestellt werden könne. Vielleicht aber auch fünf. Oder sechs.
Jenseits der Mur
Nach langwieriger, ergebnisloser Kommunikation mit den Behörden gab Golar schließlich frustriert auf. Seine Brauerei wollte er aber dennoch bauen, also begann er nach Alternativen zu suchen. Und siehe da, gleich über der Mur, die die Grenze zwischen Österreich und Slowenien markiert, in Bad Radkersburg, war die rechtliche Situation eine andere, das „schwierige“ Dokument nicht notwendig. Der Jungunternehmer erwarb ein Grundstück im Gewerbepark, reichte sein Bauprojekt ein und hatte vier Wochen später die Genehmigung in der Tasche.
Dass er in seiner Heimat ein Jahr lang vergeblich darum gekämpft hatte und letztendlich mit beträchtlichem Startkapital nach Österreich abwanderte, war einem Lokaljournalisten vor Ort eine Story wert. Andere sprangen auf und plötzlich war die Sache auch in Slowenien ein großes Thema in den Medien. „Am Ende wurde sogar das betreffende Gesetz geändert wegen dieses Falls“, erinnert sich der Brauer mit einem Schmunzeln.
Sein erstes Witbier
Sein Erweckungserlebnis in Sachen Bier hatte Golar im Jahr 2008, als damals 24-Jähriger. Er arbeitete zu dieser Zeit noch im Unternehmen seiner Eltern, im Vertrieb elektronischen Equipments für Radio- und Fernsehsender. Auf einer Geschäftsreise in Belgien bestellte er sein erstes Witbier – im Glauben, „wit“, also „weiß“, würde einfach ein helles Bier bezeichnen. Eine geschmackliche Überraschung, die er nie wieder vergessen sollte.
Zurück in Slowenien tauchte er in die Vielfalt importierter Biere ein und begann sich bald auch fürs Brauen zu interessieren: „Ich habe einfach gegoogelt ‚Wie macht man Bier?‘ und dann die ganze Nacht im Internet über Homebrewing, Equipment etc. gelesen.“ Nach einem Schnellkurs an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin braute Golar 2009 zum ersten Mal selbst – natürlich ein Wit. „Es war ziemlich schlecht“, meint er heute, „aber das Brauen hat mir riesigen Spaß gemacht.“ Bis zu drei Mal die Woche stand er danach an der selbstzusammengestellten Anlage. Er begann zu experimentieren, fügte absichtlich zu viel Malz oder Hopfen hinzu, um herauszufinden, wie sich die einzelnen Zutaten auf das Ergebnis auswirken. Nach Rezept habe er damals nicht gebraut: „Ich bin eher so der Do-It-Yourself-Typ und hab mir immer gedacht, dafür bin ich doch viel zu clever“, erzählt er lachend.
Awards und Bestwertungen
Schon damals, als Hobbybrauer, hatte er mehrere Businesspläne in der Schublade. „Ich habe sofort gewusst, dass ich das machen möchte. Der Job in der Firma meiner Eltern hat mich einfach nicht glücklich gemacht. Ich wollte selbst etwas herstellen und das verkaufen.“ Die Sache mit dem Brauen sei dann „Liebe auf den ersten Blick“ gewesen. Eine Liebe, die immer noch anhält und so nebenbei auch eine ziemliche Erfolgsgeschichte ist: Zahlreiche Awards bei internationalen Bierwettbewerben und Bestwertungen auf diversen Rating-Plattformen belegen dies – und nicht zuletzt auch der wirtschaftliche Erfolg von Bevog.
Dass sich dieser einstellen würde, war freilich keine ausgemachte Sache. Überzeugt von der Idee und Begeisterung ihres Sohnes hatten seine Eltern ihm bei der nicht gerade niedrigen Basisinvestition in Gebäude, Technik und Startphase unter die Arme gegriffen. Als die Verkäufe anfangs aber stockten, machte sich doch eine gewisse Nervosität breit: „Im November 2012 haben wir unser erstes Bier verkauft, sieben oder acht Fässer Oatmeal Stout an ein Pub in Ljubljana. Im Dezember darauf dann nichts mehr. Drei Angestellte, 1,4 Millionen Investment und ein Monatsumsatz von null Euro – man kann sich vorstellen, dass das eine sehr angespannte Zeit war.“ Erst mit Inbetriebnahme der Flaschenabfüllanlage 2013 zog schließlich auch der Umsatz an. Für Golar der eigentliche Geburtstermin seines Unternehmens.
Bis zu 7.000 Hektoliter
Seitdem hat Bevog einen beeindruckende Entwicklung hingelegt: Von einer ursprünglichen Kapazität von nicht ganz 1.000 Hektoliter pro Jahr ausgehend, sind in der aktuellen Ausstattung und Größe der Brauerei – mit aktuell 14 Mitarbeitern, allesamt Slowenen – bis zu 7.000 Hektoliter möglich. Wobei man 2017 etwa 6.000 Hektoliter erreichen werde. Golar: „Unser Anfangswachstum war wirklich sehr groß, und wir haben immer noch ein Wachstum von 15 bis 20%, aber heuer haben wir uns verstärkt auf Qualität und Stabilität unserer Produkte konzentriert.“
Zu diesen Produkten gehören neben Standardsorten wie dem erwähnten Oatmeal Stout namens Baja oder einem Pale Ale namens Tak – dem Bevog-Bestseller, vor allem in Slowenien, immer noch Hauptabsatzmarkt des Unternehmens – auch ausgefallenere, streng limitierte Biere: zum einen jene der Who-Cares-Reihe, die Golar als kreativen Spielplatz versteht, und zum anderen – als Gipfel des Genusses – jene aus der neuen Paperbag Series, für die Biere zur Reifung in unterschiedlich vorbelegte Eichenfässer abgefüllt werden.
Qualität und Genuss
Zur Vernetzung der Szene und um in der Region den Lifestyle, der mit Craft-Bier verbunden ist, zu promoten, lädt Bevog seit 2016 auch einmal im Jahr zum Who Cares For Beer Festival auf das Gelände der Brauerei. Das Bewusstsein für hochwertige Produkte, Handwerk und Regionalität, Qualität und Genuss steht dabei im Mittelpunkt – beim Bier, aber auch beim Essen und beim Musikprogramm. Golar: „Man sollte die Umgebung, in der man lebt, auch bereichern. Es ist natürlich großartig, wenn uns das gelingt.“ Und selbst wenn man sich am Land gerne etwas mehr Zeit lässt mit neuen Entwicklungen, werden Bevog-Biere mittlerweile auch in Bad Radkersburg ausgeschenkt – in einem Restaurant und einem Hotel, um genau zu sein. Im Vergleich zu den sieben Bars im slowenischen Nachbarort natürlich noch einigermaßen bescheiden. „Vielleicht brauchen wir ein bisschen mehr Zeit für die Leute aus Bad Radkersburg, aber ich glaube, in ein paar Jahren wird sich das auch geändert haben. Wir sehen schon jetzt, nach unserem letzten Festival, dass sich einiges tut. Das war ein großer Schritt für uns.“
Innehalten und genießen
Und was passiert, wenn die Nachfrage weiter steigt, wenn die Kapazitäten aufs Neue ausgeschöpft sein sollten? Etwas Platz hätte man unter den aktuellen räumlichen Gegebenheiten noch zur Verfügung, danach müsste man aber wohl eine komplett neue Brauerei bauen, so Golar. Gut möglich, dass sich dann auch die Gemeinde von Gornja Radgona als Standort ins Spiel bringen würde. Doch für den Brauer stellen sich erst einmal andere Fragen: „Möchte ich immer weiter wachsen oder doch lieber auch ein bisschen Ruhe im Leben haben? Vielleicht muss man auch einfach mal innehalten und genießen, alles ein wenig stabilisieren und sicher gehen, dass das Produkt richtig gut ist und am Markt alles passt. Wir bauen schließlich in erster Linie auf Eigenständigkeit und Qualität. Das ist der Ausgangspunkt von Bevog.“
Die Geschichte erschien in der Ausgabe 8 – Winter 2017/2018 des 1515 Craft Bier Magazin.