Die Ermittlung des besten Bieres ist Geschmacksache. Aber eben doch mehr als die individuelle Einschätzung. Über Wettbewerbe mit mehr oder weniger Aussagekraft.
Welches Bier ist das wohl das Allerbeste? Keine Frage wird einem Bierexperten öfter gestellt – fast immer in der Erwartung, dass dann die eigene Stammmarke genannt würde, was den Fragesteller darin bestätigen würde, dass er es ohnehin schon immer gewusst hätte. Mit dieser Bestätigung kann allerdings seriöserweise nicht gedient werden. So etwas wie das beste Bier der Welt kann man angesichts der Biervielfalt nicht ermitteln. Auch nicht das beste Bier Österreichs. In vielen Fällen: nicht einmal das beste Bier einer Brauerei.
Eine Variante ist das vertrauliche Expertengespräch: Da wollte ein deutscher Braumeister, der selbst ein sehr gutes Pils braut, im Vertrauen wissen, welches ich wohl für das derzeit beste Pilsbier Deutschlands hielte. Ich nannte eines aus einer kleinen Schwarzwälder Familienbrauerei, nicht wissend, dass der dortige Braumeister früher beim Fragesteller gelernt hatte. Der war über die Antwort hocherfreut, auch wenn sie vor allem eine persönliche Präferenz angezeigt hat.
Um wirklich die guten Biere von der sehr guten, die sehr guten von den exzellenten zu unterscheiden, braucht man aber den Vergleich. Und eine Richtschnur.
Bei den verschiedenen Bierwettbewerben sind die Vergleiche und die Richtschnüre recht unterschiedlich gestaltet. Man bekommt den Eindruck, dass jede halbwegs renommierte Brauerei schon mal die eine oder andere Goldmedaille errungen hat. Begonnen hat das auf den Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts: Die Schwechater Brauerei etwa ist noch heute stolz darauf, bereits bei der 3. Weltausstellung 1862 in London eine Goldmedaille für ihre damalige Version des Lagerbieres erhalten zu haben.
Wir wissen wenig, wie die Jury bei solchen Ausstellungen zusammengesetzt war und wie viele Medaillen in welchen Kategorien vergeben wurden. Sehr wohl aber kann man nachvollziehen, wie schwierig schon damals die Bewertung der Biere war: Der offizielle österreichische Berichterstatter von der nächsten Weltausstellung, jener in Paris 1867, war der Prager Braumeister Gustav Noback, der über die technischen Voraussetzungen und besonders die nicht gekühlten Keller bei der Weltausstellung klagte. „Die von den Ausstellern im vortrefflichsten Zustande abgesandten Biere kamen in diese ungenügenden Localitäten, mussten unter den nachtheiligsten Einflüssen mehrere Wochen liegen bleiben und gelangten so in einem wenig einladenden Zustande vor die Jury, welche von der Beurtheilung dieser, natürlicher Weise trübe gewordener und stark moussirenden Biere abstehen musste. Es wäre sehr erwünscht, dass bei kommenden Ausstellungen, wenn man gegohrene Getränke überhaupt bei denselben wieder zulässt, schon bei der Anlage der Ausstellungsgebäude auf Räume, seien es Eiskeller oder oberirdische Eishütten, für die Einlagerung von Bier, sowie anderen, dem Verderben leicht unterworfenen Ausstellungsgegenständen mehr Rücksicht gernommen würde.“ Österreichische Brauereien hätten unter besseren Bedingungen dann wohl besser abgeschnitten.
Als Juror bei internationalen Wettbewerben kann man sich das auch heute noch vorstellen: Wenn Europäer ihr Bier Wochen vor dem Wettbewerb in Philadelphia einsenden müssen, Amerikaner ihre Proben aber relativ frisch zum World Beer Cup anliefern können, dann mag die geographische Nähe von Vorteil sein – wie umgekehrt Europäer beim European Beer Star oder der Brussels Beer Challenge den Frischefaktor auf ihrer Seite haben dürften. Denn obwohl die Veranstalter für perfekte Bierpflege sorgen, sobald sie die Proben in eigenen Händen haben, kann die Brauerei doch wenig Einfluss darauf nehmen, wie das Bier bis dahin transportiert wurde. Die amerikanische Brewers Association sorgt immerhin dafür, dass die Biere ihrer Mitglieder in New Jersey Anfang September gesammelt und per Luftfracht zum European Beer Star nach Deutschland gebracht werden. Biere für den World Beer Cup müssen umgekehrt sogar fast zwei Monate vor der Verkostung in den USA einlangen.
Nun einmal abgesehen von diesen organisatorischen Voraussetzungen: Was sucht man eigentlich bei einem guten, bei einem „besten“ Bier? Wie dem Bericht des Prager Professors Alois Schwarz von der Pariser Weltausstellung 1878 zu entnehmen ist, gab es dort Medaillen für sehr unterschiedliche Biere – den „Grand Prix“ für Dreher (heute Schwechater), Jacobsen (heute Carlsberg) und Bergner & Engel (eine während der Prohibition eingestellte Brauerei in Philadelphia).
Und ähnlich erlebt man es auch bei heutigen Wettbewerben. Zwischen den 1960er und 1980er Jahren war vor allem die Monde Selection – ein für viele Produkte durchgeführter Wettbewerb – auch für Bier relevant: Das hier angewendete Verfahren besteht aus einer Verkostung der Biere durch Prüfer, es werden Punkte vergeben und ein Durchschnitt gebildet. Wer ein technisch ordentliches Bier einreicht, darf mit einer hohen Punktezahl rechnen – und wer eine gewisse Punktezahl erreicht, bekommt dann auch eine Medaille. Jahrelang haben dann Brauereien damit geworben, dass ihr Bier eine Goldmedaille der Monde Selection hat, also ein „Weltmeisterbier“ ist. Aber oft hatte gleich die benachbarte Brauerei die genau gleiche Auszeichnung aus demselben Wettbewerb bekommen.
Ähnlich ist es mit der Prämierung durch die DLG: Auch hier werden die Biere geprüft und verkostet – wobei die technische Prüfung im Labor strenger ist als bei jedem vergleichbaren Wettbewerb, weil Stammwürze, Alkoholgehalt, Scheinbarer Extrakt, Vergärungsgrad, Bierfarbe, pH-Wert, biologische Haltbarkeit und Bittere objektiv gemessen werden, bevor es an die Verkostung geht. Aber der Wert der Goldmedaillen ist auch hier beschränkt: 740 Medaillen gab es im Jahr 2016 von der DLG für verschiedene Biere, davon 597 Goldmedaillen und bei diesen 46 für Craft Biere. Das heißt, dass knapp jedes Zweite der rund 100 eingereichten Craft Biere eine Goldmedaille bekommen hat – das ist etwa so, wie wenn jeder Schirennläufer, der innerhalb einer gewissen Zeit sturzfrei die Streif herunterfährt, eine Goldmedaille bekäme. Und die anderen hätten eben immer noch Chancen auf Silber und Bronze, denn auf den „Stockerlplätzen“ gab es noch weitere 15 Medaillen.
Von Wettbewerb kann man da kaum sprechen – und so schön es sein mag, dass so viele Biere gute oder gar exzellente Qualität haben, so wüsste man eben doch gerne, welches das Beste ist.
Da gilt es zunächst, festzulegen, woran man misst. Beim World Beer Cup – und ähnlich beim European Beer Star oder bei der Brussels Beer Challenge – gibt es mehrere Dutzend ziemlich genau definierter Bierstile: In einem Bohemian Style Pilsner mag ein leichtes Butteraroma akzeptal, ja vielleicht sogar erwünscht sein – während dasselbe Aroma in einem German Style Pilsner absolut unakzeptabel wäre.
Und dann geht es ans Verkosten: Ist die jeweilige Probe fehlerfrei? Wenn nicht, dann weg damit (natürlich mit entsprechendem Feedback an den Brauer, damit er dem Fehler der Probe nachgehen kann)! Schmeckt sie, wie es den Style Guidelines entspricht? Und schmeckt sie innerhalb der Style Guidelines besonders gut? Besser als die anderen eingereichten Proben? Bei größeren Wettbewerben wie dem WBC (heuer waren dort 6606 Biere, welche 266 Juroren aus 32 Ländern verkosteten) gibt es dann mehrere Runden, die besten Proben aus den Vorrunden werden dann von einer neuen Gruppe von Juroren nochmals verkostet – bis es Einigkeit darüber gibt, welche der Proben mit Bronze, Silber und Gold ausgezeichnet werden soll.
Das ergibt klare Sieger – wobei selbst dem World Beer Cup die Vergleichbarkeit fehlt. Wenn ein Bier (wie etwa heuer das Junghopfenpils von Baumgartner) einmal Gold erreicht hat, dann wird es möglicherweise beim nächsten Wettbewerb gar nicht mehr eingereicht (wie das Wildshuter Sortenspiel, das 2014 eine Silbermedaille in seiner Kategorie „Specialty Beer“ geholt hat, 2016 aber nicht mehr dabei war).
Medaillen seriöser Wettbewerbe geben also Orientierung, aber den persönlichen Favoriten muss man dann schon noch suchen. Was ja auch Spaß macht!