Dass Menno Olivier den Geschmack seines Bieres für sich alleine wirken lassen will, ist schon an der Flasche seiner Biere ersichtlich. Auf einem weißen Etikett stehen schlicht Namen wie „Alpha & Omega“, „Bloed Zweet & Tranen“ und „Hamer & Sikkel“, in einer kleinen Schrift werden die Zutaten angeführt und im rechten unteren Eck prangt die berühmte Mühle. Die Brauerei „de Molen“, die Mühle, ist einer der bekanntesten Craftbierhersteller, der sich von India Pale Ale bis Porter spannenden Brauwelt. 2004 hat Menno Olivier diese Brauerei gegründet. Aus dem kleinen Brauhaus in der niederländischen Provinz hat sich mittlerweile ein Bierproduzent entwickelt, der in mehr als dreißig Länder exportiert. Bevor sein Bier am Craft Bier Fest Wien am Stand der BeerLovers ausgeschenkt wird, hat ihn unser Kollege Jonas Achorner zum Interview getroffen.
Bill Gates, Steve Jobs sowie Larry Page und Sergey Brin – sie alle haben ihr Unternehmen in einer Garage gegründet. Sie haben es ähnlich gemacht?
Menno Olivier: 1988 habe ich angefangen mit Kochgeschirr Bier zu brauen. Für mehrere Jahre habe ich zumindest einmal die Woche damit neben meinem Herd Bier hergestellt. Als ich den Job wechselte und nach Brodegraven gezogen bin, hat ein Freund von mir, ein Käser, meine Ausrüstung gesehen. Wir haben uns dazu entschlossen etwas Neues zu machen. Wir fertigten einen neuen Kupferkessel an und setzten ihn in einen Rahmen aus Stein. In meiner Garage gaben wir dann Schulungen im Bierbrauen angeboten.
Von ihrer Garage sind Sie dann in eine alte Mühle übersiedelt?
Menno Olivier: Bei einem von diesen Braukursen habe ich mit dem Bürgermeister von Brodegraven gesprochen. Er hat mir angeboten in der Mühle zu brauen. Das erste was ich tat, war zu schauen, ob die Webseite noch verfügbar war. So entstand die Brauerei „de Molen“ und ein kleines Restaurant. Das erste Jahr war nicht lustig. Das Dorf ist klein und die Leute blieben eher zuhause. Viele sahen mich als einen Hobby-Brauer. Dann habe ich jedoch den Preis für das beste Bier aus den Niederlanden und Belgien beim Great British Beer Festival gewonnen. Dadurch erhielt ich mediale Aufmerksamkeit. Und auf einmal dachten die Menschen: „Oh, vielleicht ist er doch nicht so schlecht?“ Mehr Gäste besuchten unser Restaurant, wir organisierten Buffets und ich stand am Abend als Koch im Restaurant. Dann wurde mein Bier auf der Webseite ratebeer auf Platz 53 weltweit gerankt. Danach musste ich kein Marketing machen, das Bier verkaufte sich wie von selbst. Die Mühle wurde uns zu klein, wir mussten ein ehemaliges Lager für Käse kaufen. Dadurch konnten wir überleben. Später habe ich John Brus getroffen, der Teil des Unternehmens wurde. Er ist heute der Stratege des Unternehmens während ich der Chaot und Verrückte bin. Gemeinsam haben wir die Brauerei zu ihrer heutigen Größe verholfen. Wir könnten 30.000 Hektoliter Bier produzieren.
Die Brouwerij De Molen zählt heute zu den bekanntesten Craftbier-Brauereien der Welt. Mittlerweile exportieren Sie einen Großteil Ihres Bieres. Wo sind die größten Absatzmärkte?
Menno Olivier: Schweden ist einer der größeren. Frankreich ist ein Wachstumsmarkt. Die neuen Märkte sind China und Russland. In diesem Jahr werden wir 12.000 Hektoliter Bier produzieren, vierzig Prozent davon wird in den Niederlanden verkauft.
Sie haben nun 35 Prozent Ihrer Brauerei an eine der größten Brauereien in den Niederlanden verkauft. Was ist der Grund für den Deal mit Bavaria ?
Menno Olivier: Durch den Verkauf von Anteilen unseres Unternehmens haben wir noch immer die Möglichkeit über unsere Brauerei zu bestimmen. Bavaria unterstützt uns gleichzeitig bei dem Vertrieb unserer Ware. Für ein so großes Unternehmen, wie Bavaria, ist es schwer Craftbier zu verkaufen, weil der Unterschied zwischen Pilsner und Craftbier groß ist.
Befürchten Sie, dass größere Brauereien mit der Produktion von Craftbier beginnen werden?
Menno Olivier: In den Niederlanden produzieren die größeren Brauereien bereits eine Form von „Craftbier“. Dahinter steckt jedoch viel Marketing. In der Werbung wird das Bier als solches verkauft, wer es aber tatsächlich kostet, merkt, dass es nicht vergleichbar ist, mit dem was kleine Craftbier-Brauereien machen.
Denken Sie nicht, dass Sie mit dem Teilverkauf der Brauerei einen Teil ihrer Unternehmenskultur, als kleine Brauerei, aufgeben?
Menno Olivier: Wir sehen Bavaria mehr als unseren großen Bruder, dessen Hilfe große Vorteile für uns hat. Sie haben große Labore, in den ich bei der Erstellung von neuen Biersorten, unterschiedlichste Biere probieren kann. Letztes Jahr haben wir unsere Brauerei erneuert. Auch dabei haben wir Hilfe von Bavaria erhalten. Ich denke, wenn wir größer werden, sollten wir auch besser werden. Der Hintergedanke von vielen Menschen ist, dass das Gegenteil der Fall ist. Sie befürchten, dass die Automatisierung und Standardisierung die Qualität verschlechtert. In unserer Brauerei ist aber immer noch viel manuelle Arbeit.
Auch haben Sie nach dem Teilverkauf angekündigt sie wollen innovativ und kreativ bleiben – was bedeutet das konkret?
Menno Olivier: Wir haben zwanzig reguläre Biere. Alle zwei Wochen brauen wir ein neues Bier in begrenzter Menge. Diese Biere können eine Kooperation mit anderen Brauereien sein oder eine Idee, die wir schon seit längerem im Hinterkopf hatten. Bei diesen Neukreationen können wir kreativ sein und wollen das weiterhin bleiben.
Wie wird in Ihrer Brauerei die Qualität eines Bieres überprüft?
Menno Olivier: Wir haben vier Brauer, die eigene Ideen entwickeln können. Im Team diskutieren wir, ob und wie wir Details an unseren Bieren verändern. Aber natürlich muss es jemanden geben, der letztlich entscheidet, ob ein Bier den Qualitätskriterien entspricht. Der bin ich.
Wie beurteilen Sie die Qualität der Zutaten, die Sie für den Brauprozess verwenden?
Menno Olivier: Wenn ich ein Bier designe, schaue ich nicht, wie viel die Produktion kostet. Ich bin dafür bekannt ein gutes Stout zu brauen. In Skandinavien bezeichnen sie mich deshalb als „The Dark Lord“. Dafür braucht es die besten Zutaten. Und woher kann ich diese erhalten? Ich sage aus England. Denn dort ist das Wissen über diese Biere am größten. Ich habe dort viel in alten Rezepten recherchiert und diese kombiniert. Ich importiere mein Malz aus einer kleinen englischen Mälzerei. Denn dort erhalte ich die Qualität, die ich in für meine Biere brauche.
Warum verwenden Sie keine biologisch angebauten Zutaten?
Menno Olivier: Obwohl ich glaube, dass die gesamte Landwirtschaft auf eine biologische Produktion umsteigen sollte, sind für mich der Hopfen und die anderen Zutaten im Moment nicht auf demselben Niveau, wie die konventionellen Sorten. Für mich ist dabei die Qualität des Geschmackes entscheidender als die Anbauform. Wenn ich Bio-Erzeugnisse verwende, ist beispielsweise der Zuckergehalt niedriger. Ich würde gerne umstellen, aber dazu müsste sich die ganze Szene umorientieren.
Mit dem Borefts Beer Festival haben Sie 2009 ein kleines, aber bekanntes Bierfest gegründet. Wie entscheiden Sie welche Brauer für das Line-up in Frage kommen?
Menno Olivier: Die Anzahl der Teilnehmer für unser zweitägiges Festival ist pro Tag auf 3.500 Karten beschränkt. Denn wir wollen, dass es ein Treffen zwischen Freunden ist. Neben bekannten Bierbrauern [im letzten Jahr war das österreichische Brauhaus Bevog vertreten Anm. der Redaktion] möchte wir mit dem Festival junge, noch unbekannte Brauereien unterstützen. Bei den Reisen von meinem Geschäftspartner und mir versuchen wir verschiedene Biersorten. Dadurch entsteht eine Mischung aus sehr unterschiedlichen Bieren. Auf dem Festival hat jeder Besucher die Möglichkeit die Brauer persönlich kennenzulernen.
Bei all diesen Biersorten, die Sie probieren und mit denen Sie experimentieren. Haben Sie ein Lieblingsbier?
Menno Olivier. Sie dürfen diese Frage nie einem Bierbrauer stellen.
Warum?
Menno Olivier: Wie können Sie einen Bierbrauer, der so viele verschiedene Biere macht und verkauft wie ich, fragen, was sein Lieblingsbier ist? Das ist davon abhängig: wie ich mich fühle, wie das Wetter ist, ob ich grantig bin oder einen Streit mit meiner Frau am Morgen hatte. Wenn ich verärgert bin, ist es ein Stout, wenn es sonnig ist, trinken wir ein India Pale Ale zusammen.
Hat ihrer Meinung nach der Craftbier-Hype zu einem größeren Wissen in der Öffentlichkeit über Bierkultur geführt?
Menno Olivier: Vereinzelt ist das Wissen über Bier sicherlich größer geworden. Wer anfängt selbst Bier zu brauen, weiß mehr über die Hintergründe des Bieres und kann besser zwischen schlechtem und gutem Bier unterscheiden. Craftbier ist für einen Großteil der Öffentlichkeit noch immer unbekannt. Deshalb ist der Craftbier-Anteil am gesamten Markt noch immer im sehr niedrigen Prozentbereich. Es ist schwierig den Menschen klar zu machen, dass mein im Eichenfass gereiftes Bier mehr wie Wein behandelt werden soll, wie das Pilsner, das sie täglich im Großhandel kaufen. Die meisten Lager-Biere sind dazu gemacht, möglichst viel davon zu konsumieren, meine Biere sind Genussmittel.
Wohin soll sich dann ihre Brauerei in den nächsten Jahren entwickeln?
Menno Olivier: Für mich ist nicht entscheidend, wie viele Liter wir produzieren. Ich möchte, dass mein Qualitätsprodukt möglichst vielen Menschen zugänglich ist. Die Menschen sollen den Unterschied schmecken können zwischen einem kommerziell hergestellten Bier und einem Craftbier. Denn dieser Unterschied ist verblüffend.